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sich selbst mit dem Zuhören begnügen.
Macs Uhr zeigte 2:49 Uhr morgens an. Er ging mit Rufus
durch den kleinen Hundepark, fünf Blocks von seinem Ap-
partement entfernt. Eigentlich hätte er den Hund zurück-
bringen sollen, aber Mac hatte schon vor langer Zeit
zugeben müssen, dass Hunde seine große emotionale
Schwäche waren. Er wusste, wie er mit ihnen umzugehen,
wie er mit ihnen zu arbeiten und sie zu loben hatte. Und er
wusste auch, dass er in dieser Stadt und mit seinem Job kei-
nen Hund besitzen wollte.
Da war noch eine andere einsame Gestalt in dem Hunde-
park, ein Mann. Er saß Mac gegenüber auf einer Holzbank und
sah zu, wie sein kurzbeiniger Mops durch Gras und Dreck wat-
schelte.
Der Mann, irgendwo zwischen vierzig und sechzig, sah mü-
de aus. Er hatte die Arme über die Lehne gelegt und beäugte
Mac und Rufus mit einem matten Blick. Das war Manhattan
mitten in der Nacht.
Rufus und der Mops umkreisten einander langsam, schnüf-
felten und lösten sich voneinander, um sich um ihre eigenen
Angelegenheiten zu kümmern.
Dann ging Rufus zu dem Mann auf der Bank, schnüffelte
kurz und kehrte hastig zu Mac zurück, der sich bückte, ihn
streichelte und flüsterte: »Ich weiß.«
Der Mann auf der anderen Bank hatte etwas bei sich, das zu
erschnüffeln Rufus gelernt hatte. Das konnten Drogen sein
oder eine Waffe. Trotz der Hitze, die auch die Nächte be-
herrschte, trug Mac eine Jacke, unter der sich das Halfter mit
seiner Waffe versteckte.
Aber er hatte sich überlegt, dass der Mann mit dem Mops
mit beinahe absoluter Wahrscheinlichkeit keine Gefahr dar-
stellte. Das war nur ein Mann mit einem Hund.
Mac dachte wieder an Claire. Die Gedanken, die seine
Trauer hervorbrachte, waren denen von Kyle Shelton gar nicht
so unähnlich, wenn er auch nicht versuchte, sie in philosophi-
sche Phrasen zu packen.
Eine heiße Nacht wie diese, damals in Chicago, nach der
Hochzeit von Claires Cousin. Zu viele Drinks, aber glücklich
und behaglich in ihrer Nähe. Sie waren spazieren gegangen,
statt nach Hause zurückzukehren, hatten geredet, statt zu schla-
fen, hatten Pläne geschmiedet, statt zu schlafen. Das war eine
schöne Nacht gewesen. Davon hatte es viele gegeben. Aber
nicht genug.
Mac stand auf. Der Mann auf der Bank sah ihm nach, als er
ging, und sein Mops rieb sich an seinem Bein.
In wenigen Stunden würde er Kyle Shelton finden. In weni-
gen Stunden würde er wieder mit Jacob Vorhees sprechen. In
wenigen Stunden würden die Ermittlungen im Fall Vorhees
abgeschlossen werden, aber das Leiden des Kindes und des
jungen Mannes, der so gern Philosophen zitierte, wären nicht
vorüber.
Mac sah auf seine Uhr. 3:20 Uhr morgens.
Es war 3:20 Uhr morgens.
Sak Pyon sah auf das beleuchtete Ziffernblatt der Uhr auf
seinem Nachttisch. Vorsichtig zog er die Decke zurück, setzte
sich langsam auf, erhob sich und ging leise zum Badezimmer,
darauf bedacht, seine schlafende Frau nicht zu stören.
So etwas war ihm seit mindestens fünf Jahren nicht passiert.
Er schlief stets, ohne sich einen Wecker zu stellen, erwachte
automatisch um 4:15 Uhr morgens. Jeden Tag. Er wusch sich,
putzte sich die Zähne, kämmte das Haar, zog sich an und ver-
ließ lautlos die Wohnung. Dann pflegte er sich unterwegs ei-
nen Kaffee und einen frischen Blaubeermuffin zu holen, ehe er
in seinen Laden ging.
Weil es so früh war und er über so vieles nachdenken muss-
te, entschloss sich Pyon, zu Fuß zur Arbeit zu gehen. Der junge
Polizist würde sich wegen der Zeichnung, die Pyon angefertigt
hatte, vermutlich wieder bei ihm melden, eine Zeichnung, die
nicht den Mann darstellte, der durch seinen Laden gegangen
war und mit größter Wahrscheinlichkeit den jüdischen Jungen
im Nebenhaus getötet hatte. Erst in der letzten Nacht, ehe er
eingeschlafen war, war ihm klar geworden, dass er einen Ko-
miker aus einer der Fernsehsendungen gezeichnet hatte, die er
auf Comedy Network gesehen hatte. Der Polizist würde ganz
sicher zurückkommen.
Pyon ging weiter in der schwülen Hitze vor Anbruch der
Dämmerung. In Korea hatte ihm die Sommerhitze nie etwas
ausgemacht, aber ein Vierteljahrhundert in New York hatte ihn
verändert.
Er dachte an den Mann, den er hätte zeichnen sollen, den
Mann, von dem er dem Polizisten hätte erzählen sollen. Aber
Pyon hatte den Moment nicht vergessen, als dieser andere
Mann seinen Laden betreten hatte, an seinen Tresen getreten
war, sich bedrohlich zu Pyon herübergebeugt und ihm mit un-
bewegter Miene erklärt hatte: »Ich weiß, wo du wohnst, und
ich weiß, wo deine Tochter in Hartford wohnt. Der Name dei-
ner Enkelin ist Anna. Sie ist fünf.«
Pyon hatte genickt und gefürchtet, er könnte wirklich ver-
standen haben, was der Mann ihm erzählte.
»Ich war heute nicht hier«, hatte der Mann gesagt. »Wenn
du irgendjemandem von mir erzählst, der Polizei, deiner Frau,
deiner Tochter, irgendjemandem, dann bringe ich deine Fami-
lie um. Verstehst du mich?«
Pyon verstand den Mann, der sich über ihn beugte und des-
sen Miene so sehr der des Milizoffiziers ähnelte, der Pyons
Vater mit einem einzigen Kopfschuss vor den Augen seiner
Angehörigen umgebracht hatte. Pyon verstand, und er glaubte
dem Mann jedes Wort.
Und so hatte er den Polizisten belogen und eine Zeich-
nung von einem Fernsehdarsteller angefertigt, dessen Na-
men er nicht kannte. Während er sich dem Laden in der
noch immer dunklen Straße näherte, dachte Pyon ernsthaft
darüber nach, das Geschäft an eine der vielen Personen zu
verkaufen, die Interesse daran gezeigt hatten. Er könnte den
Laden verkaufen, seine Sachen packen und & nein. Der
Mann würde ihn finden. Und er würde wissen, wo er Pyons
Tochter Tina finden konnte, die mit ihrem Mann und Pyons
Enkelin in Hartford lebte. Der Mann würde sie finden, des-
sen war er sicher.
Das vielleicht Erstaunlichste an der Bedrohung durch diesen
Mann war, dass er sie in fast perfektem Koreanisch vorgetra-
gen hatte.
Er warf einen Blick auf seine Uhr, als er das Licht im Laden
einschaltete. Beinahe 5:30 Uhr morgens. Durch das Fenster
konnte er die Dämmerung sehen, die über die Häuser auf der
anderen Straßenseite zog.
Um 5:30 Uhr schaltete sich Aiden Quinns Radio für die Nach-
richten ein. Sie stand auf. Um 6:30 Uhr sollte sie sich mit
Hawkes treffen. Er hatte eine Sprachnachricht auf ihrem Mo-
biltelefon hinterlassen und sie informiert, dass er die Leichen
der beiden toten Männer erneut untersucht und den Tatorten
einen Besuch abgestattet hatte. Und er hatte etwas Interessan-
tes entdeckt.
Stella und Flack würden Joshua mürbe machen, aber sie
hegten Zweifel darüber, ob es diesen unbekannten Anrufer
überhaupt gab. Die Beweise hatten wieder zu Arvin Bloom
geführt. In ihrem Bericht hatte sie Pro und Kontra dargelegt,
aber nichts von ihrem Bauchgefühl.
Um sechs Uhr morgens ging sie, frisch geduscht und voll
bekleidet, zur Tür hinaus.
Um sechs Uhr morgens wurde Joshua in seiner Arrestzelle von
einem Wachmann gefunden, der ihm sein Frühstück bringen
wollte. Joshua saß reglos auf der Pritsche, die Arme ausge-
streckt. Tiefe Schnitte zogen sich durch die Haut der beiden
Unterarme, und Blut tropfte von der Pritsche. Auf dem Boden
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